Zum Wochenspruch für Misericordias Domini

Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben. (Johannes 10, 11a.27-28)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeindeglieder.

Hilft Ihnen der Glaube in der Corona-Zeit?

Anders gefragt: Ist das Wissen, zu Jesus zu gehören, für Sie eine Kraftquelle, um die vielfachen Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu bewältigen? Ihre Antwort darauf würde mich sehr interessieren; sie wäre ein guter Ausgangspunkt für ein Gespräch über den Glauben und was er für uns ist.

Die Einschränkungen, denen wir unterliegen, daueren nun schon viele Wochen, sie werden noch viele weitere Wochen weitergehen. Es mag uns mitunter vorkommen, als seien wir in eine andere, fremde Welt geraten. Nur im Fernsehen sehen wir Zuschauer und Menschengruppen, bei denen es aussieht, als sei alles wie sonst; wir dagegen brauchen Mundschutz in den Verkehrsmitteln, achten auf Abstand und schauen uns besorgt um, wenn jemand hustet. Trägt uns in all dem das Wissen, zu Jesus Christus zu gehören?

Der Wochenspruch für diesen Sonntag erzählt von dieser Zugehörigkeit mit dem schönen Bild vom Hirten und seiner Herde. Jesus selbst sagt, dass er der gute Hirte unseres Lebens ist. So eng verbunden ein Hirte seiner Herde ist, jedes Tier kennt und als „sein“ Tier betrachtet, so unmittelbar und direkt bezeichnet Christus uns als die, die ihm gehören, die „Seinen“.

Das Bild vom guten Hirten ist das Leitbild des zweiten Sonntags nach Ostern, der den Namen „Misericordias Domini“ trägt; übersetzt: die Barmherzigkeit des Herrn. Der bekannte 23. Psalm, der mit den Worten „der Herr ist mein Hirte“ beginnt, ist der Wochenpsalm des Sonntags. Er wird darum auch der ‚Hirtensonntag‘ genannt.

Kurz nach dem Osterfest wird uns damit die Vergewisserung zugesprochen, im Glauben zu Jesus Christus zu gehören. Und auch wenn der Hirtenberuf bei uns selten geworden ist, so wirkt doch das Bild vom Hirten und seiner Herde zeitlos gültig. Es spricht tiefe Gefühle und Sehnsüchte in uns an. Es ist ein Bild, in dem es um Gemeinschaft und Zugehörigkeit geht und um die Sorge Jesu für unser Wohlergehen. Ohne Hirte oder mit einem schlechten Hirten, der bei Gefahr nur davonläuft, ist die Herde schutzlos und vielfach bedroht. Nur mit einem guten Hirten kann das Leben ein Leben auf grünen Auen und am frischen Wasser sein, können selbst die „finsteren Täler“ sicher durchwandert werden.

Woher wissen die Schafe, dass sie zum Hirten gehören? Sie hören seine Stimme! Woher wissen wir, dass wir zu Jesus Christus gehören? Wir hören sein Wort, das aus der Bibel zu uns spricht und unser Vertrauen weckt. Wir kennen seine Stimme und können sie unterscheiden von den anderen Stimmen um uns, die Angst verbreiten, Misstrauen schüren und die Menschen gegeneinander aufwiegeln. In Krisenzeiten sind diese Stimmen oft besonders laut, doch es ist nicht die Stimme dabei, der wir nachfolgen. In der Stimme Jesu hören wir den Hirten, der uns kennt und uns Zuversicht geben will; der ganz für seine Schafe eintritt und sein Leben für die Schafe gibt, damit sie bewahrt bleiben.

Bildlich wird Jesus als der gute Hirte oft mit einem Schaf, das er auf den Schultern trägt, dargestellt. Der Hirte trägt sein Schaf. Gott trägt uns, unsere Kraft kommt von ihm. Mehr noch: wenn wir keine Kraft haben, können wir uns tragen lassen und für eine Weile einfach auf seinen Schultern liegen. Irgendwann steigen wir wieder ab von den Schultern, die uns getragen haben, weil uns neue Kraft erfüllt. Leben geht nicht ohne Lasten. Aber Jesus trägt sie mit.

Er kennt uns. Wir wissen, zu wem wir gehören. So schenkt uns die Zugehörigkeit zu Jesus Christus Kraft und Geduld, wenn wir weiter mit Einschränkungen im Alltag leben müssen. Auch hinter einem Mundschutz können wir lächeln, unsere Augen werden es zeigen. Die Zugehörigkeit zu Jesus gibt neuen Mut, wenn uns die Zeit lang wird, in der der Kontakt zu Familie und Freunden nicht möglich ist. Sie schenkt Phantasie, neue (manchmal alte) Wege zu finden, um diesen Kontakte dennoch zu pflegen, mit Briefen, mit Telefonaten, und digital. Und sie schenkt die Hoffnung, dass auch das finstere Corona-Tal einmal durchschritten sein wird und wir wieder fröhlich gemeinsam und ohne allzugroßen Abstand zusammen sein können.

Zum Bild des fürsorgenden Hirten passt eine Strophe aus dem Lied „Sollt‘ ich meinem Gott nicht singen“ von Paul Gerhardt (im Gesangbuch Nr. 325). Die siebte Strophe lautet:

„Wenn ich schlafe, wacht sein Sorgen / und ermuntert mein Gemüt, / dass ich alle liebe Morgen /schaue neue Lieb und Güt. / Wäre mein Gott nicht gewesen, / hätte mich sein Angesicht / nicht geleitet, wär ich nicht / aus so mancher Angst genesen. / Alles Ding währt seine Zeit, / Gottes Lieb in Ewigkeit.“

Pfarrerin Anne-Kathrin Finke

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